Anke Pauli
Der Name der Ausstellung deutet nicht etwa auf ein weitere japanische Faltkunst, sondern spielt mit den Worten Original/Kopie. Was ist der Mehrwert vom Original im Vergleich zu seiner Kopie? Ausgehend davon, dass Artotheken u. a. nur Originale sammeln, muss man diesen Begriffen einige Aufmerksamkeit schenken.
Gerne möchte ich dies etwas genauer betrachten und mit ihnen einen kleinen Ausflug in die Kunstgeschichte unternehmen.
Original - Kopie
Die klassische Archäologie beschäftigt sich intensiv mit dem Phänomen des Kopierens von Kunstwerken innerhalb der Antike. Begriffe wie Adaption, Anverwandlung, Nachbildung oder Reproduktion bevölkern die Literatur in einer Vielfalt - wie die Objekte, auf die sie angewendet werden, die Museen und Sammlungen der Welt.
Das Kopieren von Kunstwerken war lange Zeit ein angesehenes Handwerk, welches verschiedenen Zwecken dienen konnte. So wurden verkleinerte Kopien bekannter Werke schon im Mittelalter weitergereicht, um Künstlern als Motivvorlage oder Inspirationsquelle zu dienen. Mit Beginn der Renaissance wurde das korrekte Kopieren zur akademischen Disziplin. Sich an antiken Vorbildern orientierend mussten Kunstschüler zuerst die Kopie beherrschen, bevor sie das Zeichnen nach der Natur erlernten.
Die Kopie fand in der Bildhauerei ebenso Anwendung wie in der Malerei. Um die Möglichkeiten der noch jungen Maltradition in der Renaissance zu demonstrieren, wurden antike Statuen auch oft nachgemalt. Dabei konnte die Kopie dem einzelnen Künstler helfen einen eigenen Stil zu entwickeln, indem er aus dem Vorhandenen schöpfte, um so Neues für sich zu erschließen. Dürer erstellte Kupferstiche nach Andrea Mantegna, die jedoch schon sein Genie zeigen, welches später in eigenständigen Werken zur Geltung kommt. Auch die Gemälde Rubens nach Tizian sind nicht weniger bekannt als ihr Original und erweisen diese große Anerkennung.
Dabei ergeben leichte Abänderungen innerhalb der Kopien oftmals neue Wirkungen. Schon früh bewies Rembrandt mit seinen an antike Vorlagen angelehnten Gemälden die Lust an Satire und Karikatur. Mit Fortschreiten der Neuzeit rückte auch in der Kunst Individualität in den Mittelpunkt. Akademische Vorschriften wurden nun bewusst gebrochen, um neue Möglichkeiten bildender Kunst zum Ausdruck zu bringen. Die korrekte Kopie wich damit der Interpretation. Moderne Künstler bedienen sich jedoch auch weiterhin klassischer Motive und vorhandener Stile, um Eigenes zu schaffen.
Natürlich unterschied man vor 1800 nicht nur zwischen Original und Kopie. Dazwischen stand die Replik, eine vom Künstler oder von seiner Werkstatt angefertigte Wiederholung eines bereits geschaffenen Werkes. Die Moderne erfand die Kopie mittels Reproduktion (bei dreidimensionalen Werken) oder mittels des Faksimiles. Beide sind im Unterschied zur Fälschung positiv konnotiert, weil die reproduzierende Absicht nicht verhüllt wird.
Original - Fälschung
Replik wie Kopie erhalten aber einen anderen Nimbus, wenn eine Täuschungsabsicht besteht und das Prädikat «Fälschung» ins Spiel kommt. Der spektakulärste Fall in jüngerer Zeit trägt einen Namen: Wolfgang Beltracchi. In unschöner Weise hat er nicht nur den Markt, sondern – was als weit verwerflicher erschien – die Zunft der Kunstexperten getäuscht.
Erstaunlich ist, dass das, was eben noch hochgelobt und als Original verehrt wurde, mit einem Mal seine gesamte ästhetische Macht verlor und entkräftet ins Depot versank. Walter Benjamin lieferte 1935 in seiner Schrift «Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit» dafür scheinbar eine Erklärung. Dem Original sei seine Einzigartigkeit gegeben, seine Aura, weil es zunächst in einem kultischen Kontext gestanden habe. Von diesem habe es sich allmählich entfernt, Kunstwert und damit der Ausstellungswert seien in den Vordergrund getreten. Erst dadurch sei der Wunsch nach seiner Reproduzierbarkeit erwachsen. In der Reproduktion gingen allerdings Qualitäten des Originals, nämlich Einmaligkeit und Dauer, verloren.
1965 veröffentlichte der niederländisch-amerikanische Philosoph Alfred Lessing einen Aufsatz unter dem Titel «Whats Wrong with a Forgery?» (Was ist falsch an der Fälschung?). Darin kam er zum Schluss, eine Fälschung, der die Allgemeinheit aufgesessen sei, sei in ästhetischer Hinsicht durchaus adäquat zum Original. Die Kriterien «echt» und «falsch» hätten wenig damit zu tun, ob ein Werk «schön» sei. In Sachen Komposition etwa wäre die Kopie dem Original nicht notwendigerweise unterlegen. Auch eine gute Kopie kann eine hohe Anzahl ästhetischer Angaben liefern – beinahe so viele wie das Original.